Ist die AfD die neue CDU?

Die AfD ist zweifellos eine rechte, teils rechtsradikale und minderheitenfeindliche Partei. Doch inszeniert sie sich gerne als rechts-konservative Nachfolgerin der CDU/CSU. Vielleicht ist sie sogar die bessere CDU, die CDU, wie sie eigentlich sein sollte, zumindest in der Selbstwahrnehmung vieler AfD-Mitglieder.

Die CDU vor 20 Jahren

Zumindest was die Fassade angeht hat sich die CDU in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark gewandelt. Die oben geschriebenen Sätze hätte man noch in den 90ern des 20. Jahrhunderts so auf die CDU anwenden können.

Muss man daran erinnern, dass Roland Koch in Hessen und Jürgen Rüttgers in NRW Wahlkämpfe mit rechten und rechtspopulistischen Parolen gemacht und gewonnen haben?

Die CDU war eine Partei weißer Männer, kaum Frauen, so gut wie keine Migranten oder Arbeiter. Niemand hat erwartet, dass die CDU eine progressive Politik machen würde, es sei denn, man hätte sie mit vorgehaltener - rhetorischer - Waffe dazu gezwungen. Umwelt- und Klimaschutz, Gleichstellung der Frauen, Minderheitenschutz - all das ist der CDU mühsam abgerungen worden und hatte immer einen paternalistischen Touch.

Nun war damals schon absehbar,dass das nicht ewig so bleiben würde. Die Personen, die um die Jahrtausendwende studiert hatten waren eher der FDP nahe, also konservative Politik, aber liberale Wirtschaft. Ich habe viele grüne Protestanten gekannt, die häufiger in die Kirche gingen als die Leute vom RCDS.

Es stimmt, dass die CDU viele ihrer Positionen geräumt hat. Atomkraft, Mindestlohn, gleichgeschlechtliche Ehe, Klimaschutz - rhetorisch ist die CDU eine völlig andere Partei als unter Kohl oder seinen Vorgängern. In der Praxis ist vieles davon schlecht umgesetzt worden, aber wie gesagt, das ist ein anderes Thema. Politik lebt oft von dieser Symbolik.

Die AfD versucht ebenfalls symbolisch, viele dieser Positionen zu besetzen. Sie ist gegen die Rechte von Minderheiten, gegen den Klimaschutz, für eine liberale Wirtschaft. Die Strategie der AfD ist, viele Grund-Widersprüche der Gegenwart aufzugreifen und eine symbolische Gegenposition einzunehmen. Stadt vs. Land, Deutsche vs. Ausländer, Hipster vs. Arbeiter und so weiter. Wahrscheinlich glauben nicht einmal viele Wähler der AfD, dass die AfD ihre Ziele umsetzen kann. Doch kann man nicht bestreiten, dass die AfD rhetorisch für Leute Position ergreift, die in den Parlamenten und Verwaltungen unterrepräsentiert sind.

Die Parlamente bestehen heute fast vollständig aus Akademikern, die wiederum Kinder von Akademikern sind. Als Bauer, Handwerker oder Arbeiter hat man keine Chance gegen Lehrer, Anwälte und BWLer, innerhalb dieser Parteien aufzusteigen. Dass die Parteien in der Spitze immer noch blütenweiß sind, steht auf einem anderen Blatt. Ein Migrant mit dem gleichen Hintergrund hätte zumindest bei den Grünen, der SPD oder FDP gute Chancen, in höhere Weihen zu gelangen. Aber die meisten Migranten mit diesen Fähigkeiten zieht es eher in die Privatwirtschaft.

Richtig, die CDU tut gerne so, als ob sie die Anliegen des kleinen Mannes aufgreifen würde. Billig-Flüge, Billig-Fleisch, Billig-Benzin - das muss es alles geben. Aber so richtig kauft das der CDU niemand ab. Schauen wir uns einfach an, wie viele CDU-Abgeordnete - hoch-Bezahlte und gut betuchte Leute - sich schamlos in der Corona-Krise selbst bedient haben. Und das waren nur jene, die so dumm waren, sich erwischen zu lassen.

Wenn man 16 Jahre lang regiert hat und gesehen hat, wie die Mieten in den Städten für den einfachen Menschen unleistbar geworden sind, wie Lebensmittel verrammscht, die bürokratische Belastung kleiner Betriebe ständig gestiegen ist, wie die Modernisierung der Peripherie vernachlässigt wurde, der kann nur zwei Dinge glauben. Entweder ist es der CDU egal oder sie ist nicht in der Lage, diese Probleme zu sehen geschweige denn zu lösen.

Viele Leute wählen die AfD, weil sie diese Themen anspricht und dadurch mehr Gewicht verleiht. Die spannende Frage wird sein, ob es der CDU gelingen wird, diese Personen zurückzugewinnen. Mit Laschet wird das wohl nicht mehr gelingen, dafür wirkt er insgesamt nicht überzeugend genug. Norbert Röttgen steht eher für den urbanen Hipster. Friedrich Merz ist ein Populist, aber es ist fraglich, wie lange sein Gepolter mobilisieren kann. Jens Spahn hat schlicht nicht das Format, die CDU aus der Krise zu führen.

Die CDU - Bewahrerin des Status Quo

Keine andere Partei steht so sehr dafür, dass sie den Status Quo bewahren möchte. Merkel war bzw. ist noch eine relativ gute Krisen-Managerin. Darüber hinaus hat sie 16 Jahre Stillstand hinterlassen. Es sind all die Dinge, von denen Laschet sagt, er würde sie anpacken wollen, obwohl seine Partei die letzten 40 Jahre fast durchgängig regiert und nichts umgesetzt hat. Verwaltungs-Reform, schnelles Internet, ÖPNV, Digitalisierung, Wohnungsbau, Sanierung der Schulen... Die CDU ist unfähig, sich selbst oder gar etwas Anderes zu modernisieren. Die AfD ist aber ebenso unfähig. Sie kann nur symbolisch die Rolle der CDU übernehmen.

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