Gil Ofarim: Hat er übertrieben?

Die Episode um Gil Ofarim und das Leipziger Hotel hat eine neue Runde der Eskalation hinter sich. Nachdem zunächst das Hotel und insbesondere der Angestellte mit Shit gestormt wurde, scheint sich die Situation jetzt umzukehren. Ofarim wird von Rechten wie Linken gestalkt.

Schauen wir uns einfach nüchtern die Vorwürfe an. Wie wahrscheinlich ist es, dass Ofarim oder jemand anderes von einer internationalen Hotelkette bzw. dessen Mitarbeiter antisemitisch beleidigt wurde?

Ich kann es mir nicht vorstellen. In diesen Hotel-Ketten arbeiten Profis, die nichts so schnell aus der Ruhe bringt. Selbst wenn der Angestellte der Widergänger Adolf Hitlers wäre, wäre er Profi genug, das nicht gegenüber Gil Ofarim auszuleben. Was hätte er auch davon gehabt?

Hinzu kommt, dass Gil Ofarim die Kette nachweisbar nicht offen getragen hat. Die Aussage, er solle die Kette wegstecken hätte vom Angestellten her gar keinen Sinn gemacht, was soll man wegstecken, wenn es nichts wegzustecken gab?

Das Insta-Video von Gil Ofarim zeigt im Grunde das Ganze Problem: Er wirkt total aufgeregt und durcheinander. Es kamen zwei Umstände zusammen: Die lange Wartezeit und wohl ein judenfeindlicher Zwischenrufer. Das hätte in einem Video aber keinen wirklich bleibenden Eindruck gemacht. Vermutlich hat sich Gil Ofarim reingesteigert und deshalb übertrieben. Oder er bildet sich tatsächlich ein, es sei so wie beschrieben geschehen. Wenn er jetzt behauptet, er würde sich nicht daran erinnern, die Kette offen getragen zu haben, wirkt das ziemlich unglaubwürdig. Einerseits regt er sich so sehr auf, dass er ein Video direkt nach dem Vorfall dreht. Andererseits erinnert er sich nicht daran, ob er die Kette offen getragen hat, die doch angeblich der Auslöser war?

Ofarim hat sich wahrscheinlich schlecht behandelt geführt und das auf seinen Status als Jude zurückgeführt. Das ist ein Phänomen, was wir leider häufig bei Minderheiten finden, auch bei Schwarzen, Muslimen, aber auch bei Weißen oder Frauen, wenn sie sich in der Minderheit wähnen.

Wahrscheinlich war Ofarim selbst davon überrascht, welche Eigen-Dynamik das Ganze genommen hat.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Wenn der Vorfall sich so zugetragen hat, wie Ofarim es schildert, sollte das Hotel und der Angestellte die Konsequenzen dafür tragen.

In keinem Fall waren aber die Vorverurteilungen und Shitstorms angemessen, die über den Hotel-Angestellten und jetzt Ofarim hereinbrechen. Leider habe ich wie so oft den Eindruck, dass es den Shitstormern in erster Linie darum geht, sich selbst darzustellen. Es geht diesen Leuten immer nur darum, sich selbst im rechten Licht erscheinen zu lassen. Die Juden, die Schwarzen, Behinderte oder Frauen - sie sind alle austauschbare Opfer, die am Ende den Shitstormern der Selbstvergewisserung dienen, auf der richtigen Seite zu stehen. Es ist der übliche Hipster-Mist, das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben oder für Minderheiten zu sein, ohne einen Handschlag getan zu haben.

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